Barrieren abbauen durch digitale Technologien im Projekt GIGA Gebärdensprache

Symbolbild für den Abbau digitaler Barrieren im Projekt GIGA Gebärdensprache

Bei Barrierefreiheit denken die meisten Menschen zunächst an die barrierefreie Gestaltung von Gebäuden durch bauliche Maßnahmen. Mit dem Begriff Barrierefreiheit ist heutzutage aber weitaus mehr verbunden, es geht darum den Alltag für alle Menschen barrierefrei zu gestalten. Dieser Alltag besteht in der Regel aber aus mehr als dem Zugang zu einem Gebäude.

In einem zunehmend digitalisierten Alltag der Menschen ist entsprechend auch die digitale Barrierefreiheit immer mehr in den Fokus gerückt. In unserem Projekt GIGA Gebärdensprache haben wir mit Barrierefreiheit auf zwei Ebenen Berührungspunkte:

  • Zum einen wollen wir prototypisch eine digitale Anwendung entwickeln, die dazu beiträgt, Barrieren im Alltag der Nutzenden abzubauen.

  • Zum anderen muss die Anwendung selbst für ihre Nutzenden barrierefrei gestaltet sein, damit sie ihren Zweck erfüllen kann.

In diesem Beitrag wollen wir daher die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit erkunden und einige Einblicke in unser Projekt geben.

Warum ist gerade digitale Barrierefreiheit wichtig?

Die Bedeutung der digitalen Barrierefreiheit für den Alltag wird besonders klar, wenn wir die zunehmende Nutzung digitaler Technologien berücksichtigen. Immer mehr Aspekte unseres Lebens finden online statt. Sei es die Arbeit, der Zugang zu Bildung, die Kommunikation, Bankgeschäfte oder der Einkauf. Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch die Corona Pandemie nochmal beschleunigt.

Digitale Barrierefreiheit ermöglicht es Menschen mit Beeinträchtigung, uneingeschränkt an dieser zunehmend digitalisierten Welt teilzuhaben.

Neue rechtliche Grundlagen für digitale Barrierefreiheit

Die zunehmende Wichtigkeit des Abbaus digitaler Barrieren wird auch an neuen rechtlichen Grundsätzen klar. Digitale Barrierefreiheit ist nicht mehr nur ein Konzept zur Schaffung von Inklusion und Chancengleichheit, sondern ab Juni 2025 auch fest im Gesetz im verankert.

Ab 28. Juni 2025 tritt in Deutschland das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, welches zur Umsetzung der EU-Richtline zur digitalen Barrierefreiheit (European Accessibility Act) dient. Ab diesem Zeitpunkt müssen nahezu alle digitalen Produkte und Dienstleistungen auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen barrierefrei gestaltet sein. Das betrifft nicht nur sämtliche Onlineshops, sondern z.B. auch Websites von kleinen Unternehmen, wenn über diese “Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr” angeboten werden. Zu diesen Dienstleistungen zählt beispielswiese auch die Möglichkeit zur Terminbuchung.

Das Gesetz wird also weitreichende und positive Auswirkungen auf die digitale Barrierefreiheit haben. Eine erste Anlaufstelle für Informationen und Regelungen rund um das BFSG ist die Bundesfachstelle Barrierefreiheit , auf deren Website sich auch Infos in leichter Sprache und Gebärdensprache finden.

Von Barrierefreiheit profitieren letztlich Alle

Barrierefreiheit hilft nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung digitale Angebote uneingeschränkt nutzen zu können. Auch für Menschen ohne Einschränkungen macht Barrierefreiheit das Internet intuitiver und einfacher nutzbar.

Zu niedrige Kontraste, die Texte beim ersten Sonnenstrahl auf dem Smartphone-Bildschirm unlesbar machen, zu kleine Touch-Bedienflächen, um Pop-Up Werbungen wegzuklicken – diese und ähnliche Nutzungserlebnisse dürften nach Umsetzung der EU-Richtlinie EAA immer seltener werden.

Und auch für die Unternehmen zahlt sich die Investition in barrierefreie Gestaltung ihrer digitalen Produkte und Dienstleistungen aus. Für mindestens 30% aller Nutzer:innen ist die digitale Barrierefreiheit bereits jetzt eine Notwendigkeit, um ein Angebot nutzen zu können. Unter Berücksichtigung der zunehmenden Alterung der Bevölkerung wird die Anzahl weiterwachsen.

Für viele Unternehmen bietet sich hier die Möglichkeit ihre potenzielle Zielgruppe enorm zu erweitern. Insbesondere im Bereich E-Commerce sind die Chancen in Deutschland noch groß, sich hinsichtlich Barrierefreiheit an der Spitze am Markt zu positionieren. So sind laut einer aktuellen Studie an der u.a. die Aktion Mensch und Google beteiligt waren 75% der meistbesuchten Onlineshops in Deutschland noch nicht barrierefrei.

Dabei ist digitale Barrierefreiheit oft nicht schwer zu erreichen, wenn sie bei einem Projekt von Anfang mitgedacht wird...

Wie wird digitale Barrierefreiheit gestaltet?

Um digitale Barrierefreiheit praktisch umzusetzen kann man sich beispielsweise an den Web Content Accesibility Guidelines (WCAG) orientieren. Die WCAG sind ein internationaler Standard und bieten für Entwickler:innen zahlreiche Informationen und Anleitungen wie Barrierefreiheit konkret umgesetzt werden kann. Unter diesem Link findet sich auch eine (inoffzielle) deutsche Übersetzung der Spezifikationen.

Vereinfacht kann man sich zunächst an folgenden Fragen orientieren:

  • Besteht ausreichender Kontrast zwischen Vorder- und Hintergrundfarbe?
  • Sind Links und Schaltflächen auch über die Tastatur bedienbar?
  • Ist das Angebot für Screenreader-Software kompatibel?
  • Wurde für das Angebot verständliche Sprache genutzt?
  • Sind in Formularen alle Felder barrierefrei klickbar?

Beispiel für die barrierefreie Gestaltung von Textelementen durch ausreichend Kontrast Beispiel für die Gestaltung barrierefeier Texte durch ausreichend Farbkontrast

Wie kann ich die digitale Barrierefreiheit meines Angebots testen?

Ein erster automatischer Test der digitalen Barrierefreiheit eines Webangebots kann beispielsweise mit dem Google Tool PageSpeed Insights erfolgen. Neben vielen anderen Leistungsmerkmalen wird hier auch die Barrierefreiheit geprüft und bewertet und es werden erste Hinweise zur Fehlerbehebung gegeben. Auch Aktion Mensch bietet einen Leitfaden Test für die verschiedenen Aspekte digitaler Barrierefreiheit eines Webangebots an.

Für das automatische Testen von mobilen Apps auf dem Betriebssystem Android bietet Google ebenfalls ein Tool an, den Accessibility Scanner , dieser lässt sich einfach aus dem Google Playstore herunterladen.

Ein Pendant hierzu für iOS-Apps gibt es bisher nicht. Sofern Zugriff auf den Programmcode der App vorhanden ist, kann dieser aber mit dem Accessibility Inspectorvon Apple getestet werden.

Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik stellt zudem einen Leitfaden für Barrierefreie mobile Apps zur Verfügung. Letztlich ist das Testen von Barrierefreiheit natürlich auch am aussagekräftigsten, wenn diese von Nutzenden mit den entsprechenden Werkzeugen durchgeführt werden.

Wie wurde digitale Barrierefreiheit im Projekt GIGA Gebärdensprache umgesetzt?

Im Projekt GIGA Gebärdensprache haben wir bei der Entwicklung der prototypischen App wie auch der zum Generieren der Trainingsdaten für die KI-Entwicklung eingesetzten Anwendung eng mit der Zielgruppe zusammengearbeitet. Unter Leitung des Lehrstuhls für Dolmetschen, Deutsche Gebärdensprache (DGS) - Deutsch, der humanwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln wurden zahlreiche Workshops mit der DGS-Community durchgeführt.

Neben dem Sammeln von Trainingsdaten für die KI konnten in den Workshops auch die Anforderungen der DGS-Community an die Anwendung erhoben und bestehende Workflows getestet werden. So konnten bei der Programmierung auch die Bedürfnisse der Nutzenden hinsichtlich der Gestaltung von UI/UX berücksichtigt werden.

Dabei zeigten sich auch immer wieder Überschneidungen mit den Richtlinien für die barrierefreie Gestaltung von digitalen Anwendungen, beispielsweise in Bezug auf die Verwendung einfacher Sprache, Textmenge oder Kontrastfarben.

Mehr Infos zu den Workshops gibt es auch auf unserer Projektwebsite:

https://giga-gebaerdensprache.cynapsis.io/

Bei einer Anwendung wie der GIGA Gebärdensprache App ist digitale Barrierefreiheit keine Option, sondern bereits jetzt eine Notwendigkeit. Durch die anstehenden gesetzlichen Änderungen wird dies in Zukunft erfreulicherweise auch auf viele andere Bereiche der digitalen Welt zutreffen.

Letztlich ist die Herstellung digitaler Barrierefreiheit in den Meisten Fällen ohne große Aufwände möglich, wenn sie von Anfang an mitgedacht wird. Neben der Förderung von Inklusion bietet sie auch zahlreiche Vorteile für die umsetzenden Unternehmen und Organisationen.

Mehr Informationen zur digitalen Barrierefreiheit gibt’s auf den im Text verlinkten Seiten und den folgenden Quellen:

https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreie-website/wie-barrierefrei-ist-meine-website-test

https://www.aktion-mensch.de/inklusion/barrierefreiheit/barrierefreie-website/test-barrierefreie-webshops

https://outline-rocks.github.io/wcag/translations/WCAG21-de/

https://www.bundesfachstelle-barrierefreiheit.de/DE/Fachwissen/Produkte-und-Dienstleistungen/Barrierefreiheitsstaerkungsgesetz/barrierefreiheitsstaerkungsgesetz_node.html

https://handreichungen.bfit-bund.de/ag03/

Das Projekt wird gefördert durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW.

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